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Detailvorschläge, Ergänzungen und Erläuterungen zum Thema
Moderne, umfassende Antikorruptions- & Transparenz-Gesetzgebung

  1. Die Kandidatenbestechung/-bestechlichkeit („Prospektivtäter“) und der „Mandatskauf“ sind im Korruptionsstrafrecht als Delikte zu verankern.

  1. Neben der bereits bestehenden Wertqualifikation sind zu den Korruptionstatbeständen Qualifikationen für Fälle zu schaffen, in welchen besonders wichtige Interessen (z.B.: langjährige Vergabe von Posten mit entsprechendem Gehalt, Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz etc.) betroffen sind.

  1. Die Strafbarkeit nach § 295 StGB (Beweismittelunterdrückung) soll auf Beweismittel für parlamentarische Untersuchungsausschüsse ausgeweitet werden.

  1. Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz ist in der Praxis der Strafgerichtsbarkeit wenig wirksam. Es soll zu einem modernen, effizienten Unternehmensstrafrecht weiterentwickelt werden. Unter anderem sollen strafrechtliche Verurteilungen von Unternehmen („Ver-bänden“) oder Unternehmensorganen wegen Korruptionsdelikten oder der Beteiligung an Amtsdelikten zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen.

  1. Das Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachts (derzeit § 35c StAG) ist in das Regime der StPO mit dem dort vorgesehenen Rechtsschutz zu implementieren.

  1. Die bestehende Kronzeugenregelung ist aufgrund ihrer Komplexität und mangelnden Praxisbezogenheit nahezu „totes Recht“ und läuft mit 31. Dezember 2021 aus. Ab 1. Jänner 2022 ist eine umfassende neue Kronzeugenregelung zu schaffen, die den Erfordernissen der Praxis und einer effektiven Strafrechtspflege sowie der gebotenen Rechtssicherheit für den Kronzeugen Rechnung trägt.

  1. Alle Bestrebungen hin zu einer „Zwei-Klassen-Justiz“, durch etwa ein faktisches „Razzienverbot im öffentlichen Sektor“ (arg Entwurf zu einem § 112a StPO), sind sofort einzustellen.

  1. Die Abschaffung der generellen Amtsverschwiegenheit sowie die Verabschiedung eines umfassenden Informationsfreiheitsgesetzes, das diesen Namen auch verdient, sind beschleunigt umzusetzen. Dazu wird auf die bereits mannigfachen, im Rahmen des Begut-achtungsverfahrens ergangenen Stellungnahmen verwiesen. Die effektive Durchsetzung von Auskunftsansuchen ist durch die Einsetzung eines unabhängigen „Informationsfreiheits-beauftragten“ sicherzustellen.

  1. In einem neuen Informationsfreiheitsgesetz muss gewährleistet sein, dass Informationsbedürfnisse der Bevölkerung und Medien unbürokratisch und rasch nachgekommen wird und nicht das bisherige Amtsgeheimnis über die Hintertüre von Geschäftsgeheimnissen (etwa bei öffentlichen Auftragsvergaben) oder nur lediglich vorgeschobenen Datenschutzargumenten weitgehend aufrecht bleibt. Daher sollen Vereinbarungen von Geheimhaltungsklauseln nichtig sein, außer bei international anerkannten schutzwürdigen Interessen (z.B. nachrichtendienst-liche Angelegenheiten, militärische Geheimnisse, sensible Sicherheitsinteressen oder der Außenbeziehungen, etc.).

  1. Alle öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie durch Gesetz eingerichteten Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, weiters alle der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Unternehmen haben ihre Strukturen und Abläufe im Hinblick auf größtmögliche Transparenz zu verankern und relevante Informationen, sofern nicht gerechtfertigte Gründe dagegenstehen, online zugänglich zu machen. 

  1. Das Lobbying-Gesetz ist nachzuschärfen, um alle Lobbying-Aktivitäten (insbesondere bezahlte Einflussnahme durch Argumente und Informationen) zu erfassen und öffentliche Kontrolle zu ermöglichen. Dabei sind insbesondere alle Lobbying Betreibenden gesetzlich gleichzustellen und bisher ausgenommene Gruppen einzubeziehen; sind Offenlegungspflichten auf die Lobbyierten auszuweiten; und ist der interessierten Öffentlichkeit online und in sonst geeigneter Form Einsichtnahme in das Lobbying-Register zu gewähren. Zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen im LobbyingG sind effektive Kontrollmechanismen und Sanktions-mechanismen einzurichten.

  1. Die Beteiligung von Interessenverbänden, Unternehmen und sonstigen privaten Akteuren bei der Vorbereitung von Gesetzen ist kenntlich zu machen („legislativer Fußabdruck“).

  1. Das Staatsarchiv-Gesetz ist dahingehend zu revidieren, als es den neuen Kommunikations- und Datenverarbeitungstechnologien Rechnung trägt und präzisiert, welches „Archivgut“, inklusive welcher Aufzeichnungen, Einträge, Daten und Datenträger öffentlicher Organe und ihnen gleichzusetzender Personen und Institutionen, jeweils inklusive ihrer Kabinette, von welchen Regelungen umfasst sind.

  1. Insbesondere hat das Staatsarchiv-Gesetz auch zu regeln von wem, wann und auf wessen Veranlassung welches „Archivgut“, inklusive Aufzeichnungen, Einträge, Daten und Datenträger zu ändern, zu löschen, zu übergeben bzw. zu vernichten ist. Dabei soll jedenfalls sichergestellt werden, dass jede Kommunikation, die mit der abstrakten Zuständigkeit des Amtsinhabers in Zusammenhang steht, zu archivieren ist.

  1. In praktisch allen größeren Korruptionsfällen verhindert die Einschaltung von Offshore-Firmen (shell companies) eine Aufklärung der Geldflüsse und Ermittlung der Letztempfänger; ein Umstand, der oft beklagt, gegen den jedoch bis dato nichts Nachhaltiges unternommen worden ist. Daher sollen bei öffentlichen Auftragsvergaben die Vertragsparteien verpflichtet sein, weder Offshore-Firmen noch „Verkaufsberater“ einzuschalten („cutting out the middle-man“), widrigenfalls Nichtigkeit des Vertrags, ein Pönale von mindestens 30 Prozent des Auftragswertes sowie volle Schaden-ersatzpflicht schlagend werden.

  1. Bei der innerstaatlichen Umsetzung der EU-europäischen Hinweisgeber-Richtlinie („Whistleblower-Richtlinie“) sind Verstöße gegen nationales Recht, insbesondere mit besonderem Fokus auf Korruptionsdelikte, in den Geltungsbereich einzubeziehen. Dadurch und durch einen möglichst einfachen Zugang soll es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht werden, sich aktiv gegen korrupte Machenschaften zu stellen und zu ihrer Aufklärung beizutragen. Gleichzeitig hilft ein modernes Whistleblower-System dabei, ungerechtfertigte Anschuldigungen schneller und transparenter zu entkräftigen.

  1. Die Veröffentlichung von parlamentarischen Ausschussprotokollen ist gesetzlich zu verankern.

  1. Die Rahmendaten aller Vergaben der öffentlichen Verwaltung sind – bei sonstiger Nichtigkeit – vollständig zu veröffentlichen.

  1. Die Ergebnisse, Methoden, Datengrundlagen sowie der diese durchführenden Institutionen (bzw. Personen) von Studien, Forschungsarbeiten, Meinungsumfragen und ähnliches, deren Finanzierungsanteil öffentlicher Stellen, inklusive von Parteien, mindestens 25% entspricht, sind vollständig zu veröffentlichen.

  1. Interessenskonflikte (conflicts of interest) der Mitglieder von Beratungs- und Entscheidungsgremien der öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie von durch Gesetz eingerichteten Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, weiters von der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Unternehmen sind gesetzlich zu regeln und offenzulegen. Die Mitglieder und Sitzungstermine dieser Beratungs- und Entscheidungsgremien der öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie von durch Gesetz eingerichteten Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind offenzulegen, ebenso die Sitzungsprotokolle, sofern keine schutzwürdigen Interessen und persönlichen Rechte dadurch verletzt werden.

  1. Die 5. EU-Geldwäscherichtlinie ist durch klare, sinnvolle und umsetzbare gesetzliche Regelungen branchenübergreifend in nationales Recht zu überführen.

  1. Auf EU-Ebene hat sich Österreich für die Einrichtung eines EU-weiten Registers für politisch exponierte Personen (PEP), für eine Regelungen zur Förderung der Transparenz in europäischen Steueroasen sowie die Zurückdrängung von Briefkastenfirmen und offshore/shell companies einzusetzen. Über den Fortgang und die Ergebnisse ist dem Parlament zumindest jährlich Bericht zu erstatten.

  1. In internationalen Gremien, insbesondere jenen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union sowie des Europarates, hat sich Österreich für Regularien und Register zu Transparenz des faktischen wirtschaftlichen Eigentums (beneficial ownership transparency, BOT) einzusetzen. Über den Fortgang und die Ergebnisse ist dem Parlament zumindest jährlich Bericht zu erstatten.

  1. Das bestehende österreichische wirtschaftliche Eigentümerregister und das mit der WiEReG-Novelle eingeführte Compliance-Package (EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019) ist weiter auszubauen und seitens Österreich auf eine rasche EU-weite Vernetzung der einzelnen Länderregister hinzuwirken. Über den Fortgang und die Ergebnisse ist dem Parlament zumindest jährlich Bericht zu erstatten.

(Die angeführten Detailvorschläge sind ohne prioritäre oder sonstig intendierte Reihenfolge dargestellt.)